GESCHICHTE
Noch um 1860 war gewerbliche Schnitzerei in Sandberg unbekannt. Doch nur wenig später ergriffen die ersten Einwohner die Gelegenheit, ihre kargen landwirtschaftlichen Erträge mit Schnitzarbeit aufzubessern. So kam es, dass Hilarius Katzenberger 1877 versuchte, in Kissingen seine selbst geschnitzte Holzwaren an reiche Kurgäste zu verkaufen. Er lernte dabei Friedrich Meinel kennen, der mit Musikinstrumenten handelte und einen Laden für Holz- und Galanteriewaren betrieb.
Fortan fertigte Katzenberger in Meinels Auftrag zu Hause in Sandberg Souvenirs und Spielzeugtiere: Vor allem unbemalte – „weiße“ – Pferde aus Zitterpappelholz, aber auch andere heimische und exotische Wesen.
Meinel stellte Katzenberger in Sandberg sogar ein Haus zur Verfügung, in dem dieser eine „Schnitzschule“ einrichtete. Den Schülern vermittelte er hier grundlegende Fertigkeiten, so dass sie ihm bald helfen konnten, die wachsende Nachfrage nach „Rhöner“ Schnitzwaren zu befriedigen. Aber auch andere Ortseinwohner erledigten einfachere Schnitzarbeiten in der eigenen Stube: Die Schnitzerei entwickelte sich zu einer Industrie, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Verhältnisse in Sandberg bestimmte.
Als 1911 jedoch Friedrich Meinel verstarb, endete diese Blütezeit: Die Sandberger verloren den Hauptabnehmer für ihre Schnitzereien und fanden nur schwer neue Vertriebswege. Erst zwischen den Weltkriegen wuchs die Zahl der Holzschnitzer wieder. Um 1950 arbeiteten immerhin wieder über 50 neben- und hauptgewerbliche Schnitzer im Ort. Die meisten schnitzten weiterhin große Mengen einfacher Tierfiguren. Nur einzelne gelernte Holzbildhauer, wie etwa Leo Holzheimer, suchten mit künstlerischen Arbeiten ihr Auskommen.
HILARIUS KATZENBERGERS HOLZSCHNITZSCHULE
Hilarius Katzenberger kam 1847 in Sandberg zur Welt. Als einer der vier Ersten im Ort, besuchte er die Schnitzschule in Bischofsheim. 1862 war diese aus dem heute hessischen Poppenhausen an den Kreuzberg verlegt worden: Ein Glück für Katzenberger! Der damalige Schulleiter Joseph Wehe erteilte nicht zuletzt Unterricht im Schnitzen von Spielzeugfiguren, und so ist anzunehmen, dass Katzenberger solche Figürchen verkaufte, als er 1877 Friedrich Meinel traf.
Die „Schnitzschule“ in Sandberg, die Friedrich Meinel daraufhin einrichtete, war ein reiner Industriebetrieb: Als gelernter Schnitzer leitete Katzenberger die Einrichtung. Er entwarf die Figuren und nach kurzer Einlernzeit konnten seine Schüler diese in großer Stückzahl reproduzieren. Mit beachtlichem Erfolg: Das in Sandberg gefertigte Spielzeug gewann Preise auf internationalen Industrieausstellungen und wurde bis nach Belgien, China und in die USA exportiert.
Nach dem Tod Friedrich Meinels erwarb Hilarius Katzenberger das Anwesen mit der Schnitzschule und führte den Betrieb fort. Statt 30 Mitarbeitern, wie zu Glanzzeiten, arbeitete nun jedoch vor allem die Familie mit: Friedrich, sein Sohn, erlernte das Handwerk des Vaters und sorgte mit dessen Enkel Max dafür, dass die Familie Katzenberger auch nach Hilarius Tod 1927, Inhaber eines Rhöner Holzschnitzbetriebes blieb.
SANDBERGER HAUSIERHÄNDLER
Solange Friedrich Meinel die Sandberger Spielzeugproduktion nahezu komplett aufkaufte, waren Hausierhändler überflüssig. Nach dessen Tod jedoch entwickelte sich der Hausierhandel zum zentralen Absatzzweig für Sandberger Schnitzwaren. Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zog unter anderen der Sohn von Hilarius Katzenberger in die Rhöner Badeorte, um die geschnitzten Tierköpfe seines Vaters zu verkaufen.
Für 1925/26 weist die Statistik immerhin15 Hausierhändler für Sandberg aus, 1934 dann 34 und 1935 gar 54 – davon immerhin 22 für Schnitzwaren. Meist handelte es sich um die Schnitzer selbst, die im Sommer verkauften, was sie im Winter produziert hatten.
Einen letzten Aufschwung erlebten Schnitzerei und Hausierhandel nach dem Zweiten Weltkrieg. Ob röhrende Hirsche oder einfache Rehköpfe – „bayerische“ Schnitzarbeiten wurden zu beliebten Souvenirs amerikanischer Soldaten. Statt Kurorte bereisten die Hausierer nun Kasernen. Rund 100 Sandberger Bürger lebten von diesem Geschäft. Erst in den 1980er Jahren brach der Absatz ein.